Die Diagnose Reizdarm kann für den Patienten wie für den betreuenden Arzt eine Herausforderung sein. Reizdarm ist eine sog. Ausschlussdiagnose bei den anderen Erkrankungen durch systematische Untersuchungen des Blutes und des Stuhls, ggf. sog. Atemtests bis zur Spiegelung des Darmes (Koloskopie) bzw. des Magens (Gastroskopie) ausgeschlossen wurden. Ich stelle meinen Patienten Kopien der Laborergebnisse und der Untersuchungen zur Verfügung, um später die Grundlage für die Diagnose auch für andere Ärzte verfügbar zu haben. Etliche meines Patienten speichern heutzutage diese Daten in ihrer Gesundheits-App des Smartphones.
Die Reizdarmbeschwerden können durch Lebensstiländerungen erheblich beeinflusst werden.
Eine Säule der Behandlung ist regelmäßige Bewegung, d.h. konkret mindestens 2-mal in der Woche, idealerweise 3-mal in der Woche z. B. einen Sport mit hoher Ausdauerkomponente. Organisatorisch am einfachsten im Alltag ist oft das Joggen (30-45 Minuten, 4-6km Distanz), aber auch Fahrradfahren, Walken, Tanzen, Schwimmen sind günstig. Am besten ist, was auch ein wenig Freude macht!
Fodmap-Diät.
Bezüglich des Essens empfehle ich die sog. fodmap-Diät (abgekürzt für fermentierbare Oligo-, Di- und Mono-Saccharide and Polyole), die darauf abzielt bestimmte Kohlenhydrate bzw. Komplexe Zucker in unserer Nahrung zu vermeiden. Wir Menschen haben natürlicherweise ca. 3 kg Bakterien in unserem Darm, die wir für unser Überleben benötigen. Diese Bakterien vergären (fermentieren) diese Kohlenhydrate, wobei Gase im Darm entstehen, die das Gefühl des „Aufgeblähtseins“ produzieren können. Reizdarmpatienten haben wahrscheinlich eine niedrigere Schwelle als andere Menschen, ab welcher Dehnung der Darmwand sie diesen Reiz als unangenehm oder gar schmerzhaft empfinden (sog. „Intestinale Hypersensitivität“). Bauchschmerzen, -Drücken und -Kneifen sind dementsprechend häufige Beschwerden bei Reizdarmpatienten. Zusätzlich entstehen durch die bakterielle Vergärung kurzkettige Fettsäuren, die Flüssigkeit in den inneren Hohlraum des Darms ziehen und zu Durchfall führen können.
Kurz zusammengefasst bitte ich meine Patienten für die fodmap-Diät Lebensmittel mit einem hohen Gehalt z.B. an Milchzucker, Fruchtzucker und Zuckerersatzstoffen (Polyole) zu vermeiden. Dazu gebe ich eine einseitige Übersicht von zu vermeidenden bzw. erlaubten Lebensmitteln an die Hand. Diese Diät einzuhalten ist für viele meiner Patienten eine Herausforderung, kann aber in Verbindung mit dem Ausdauersport zu einer erheblichen Besserung der Lebensqualität führen.
Fehlbesiedlung des Dünndarms mit Bakterien.
Eine weitere These besagt, dass eine Fehlbesiedlung des Dünndarms mit Bakterien zu den Reizdarmsymptomen beiträgt. In diesem Zusammenhang empfehle ich meinen Patienten, die mit den oben genannte Massnahmenkeine zufriedenstelende Besserung erzielt haben, sich zu überlegen eventuell an einer klinischen Prüfung mit einem Antibiotikum teilzunehmen. Dieses Antibiotikum wird auf Grund seiner besonderen Einbettung in eine Hülle verzögert erst im Dünndarm freigesetzt, aber nicht in das Blut aufgenommen und soll der Fehlbesiedlung mit Bakterien entgegenwirken. Die Behandlung mit dem Studienmedikament dauert 2 Wochen. Zwei Drittel der Patienten erhalten Wirksubstanz, das andere Drittel ein Placebo. Die Studie dauert insgesamt 4 Monate.
Dr. Dr. Hans-Detlev Stahl, Leipzig 2019